Wer in Kroatien segelt hört viel von der Bora… „ein kalter und böiger Wind der aus Nordosten weht, häufig entlang der nördlichen und zentralen Adriaküsten.“

In den maßgeblichen Revierführern (siehe Navigation, Wetter, Törnplanung) ist viel die Rede von Bora-sicheren Nothäfen und -buchten, deren man sich ständig bewusst sein sollte, wenn man hier unterwegs ist. Oft ist auch von dem schönen Abendessen im sicheren Hafen die Rede – weil man ja der Bora wieder mal entwischt ist.

Seit Beginn unseres Herbsttörns mit Salty Dog am 01. Oktober haben wir uns zu dem Thema Wetter und Bora gut geschlagen. Bei einsetzendem Gewitter vor Umag legten wir einen Hafen-Tag ein und bei einer anstehenden Bora nach unserer Kvarner-Überquerung im Schmetterling haben wir rechtzeitig in der Maracol-Bucht (hinter der Insel UNIJE) Deckung gefunden.

In diesen „Zwangspausen“ haben wir die Inseln erkundet, jeder mal „seins“ gemacht und am Abend gemeinsam gekocht oder in der letzten noch offenen „Kneipe“ etwas Einfaches gegessen. Es ist schön hier und die Menschen gefallen mir.

Nun ist dieser Herbsttörn leider fast vorbei. Wir waren in Umag, Rovinj, auf UNIJE, IST, RAB, MALI LOSNI und wollen morgen (nur noch Sabine und ich) von der Insel UNIJE den Rückweg nach Norden antreten. Zurück zum kroatisches Festland und später nach Italien.

Unser Rückweg bei 8 bis 9 Beaufort

Der Wind war die letzten Tage leider etwas mau und wir freuen uns heute Morgen auf einen frischen Wind aus Ost bis Nordost um die 5 Windstärken. Damit könnten wir die 20 Seemeilen über den Kvarner zügig hinter uns bringen und möglicherweise heute Abend vielleicht noch Rovinj erreichen. Sabine macht sich bereits etwas Sorgen, ob sie ihren Flieger noch bekommt. Sie muss an ihrer Uni Prüfungen abnehmen.

Wir verlassen deshalb die Maracol-Bucht um 0830 und setzen noch im Windschatten von Unije die Segel. Ich starte lieber gleich im Reff 2 und plane später auszureffen, wenn ich weiß wie das Wetter „draußen“ wirklich ist.

Der letzte Funkwetterbericht gibt weiter Wind um Nordost um die 5 Windstärken an, warnt aber vor einer Bora im Velebitsky-Kanal. Für diesen Kanal wurden die letzten Tage immer wieder heftige Bora vorhergesagt. Es scheint hier unten so etwas wie die  absolute „Bora – Todeszone“ zu sein 🙂 und ist leider auch nicht weit entfernt von uns. Nur der Windschatten von RAB und UNIJE trennen uns.

Wir kommen zügig voran und haben den NO genau von querab (seitlich). Draußen im offenen Kvarner – wir kommen aus der Abdeckung von Unije langsam heraus – nimmt der Wind weiter zu und es baut sich langsam eine Welle auf. Sabine ist am Steuer und ich bin froh gleich mit Reff 2 ins Rennen gegangen zu sein.

Es frischt noch weiter auf und wir haben bald konstant 32 Knoten Wind auf der Uhr. Auch die Wellen nehmen weiter zu und durch den Halbwindkurs treffen sie uns hart von der Seite. Auch luven wir öfter ungewollt an und das Vorsegel beginnt dabei stark zu schlagen. Ein bedrohliches Geräusch.

Um das unfreiwillige Anluven und die Querschläge der Wellen abzuwenden, gehen wir zunächst auf Amwind-Kurs und versuchen die Wellen aktiv abzusurfen.

Mit dieser Kursänderung erreichen wir aber nur die Ostseite Istriens und würden Salty Dog und uns in eine gefährliche Legerwall-Situation bringen. Besser wäre es, den Schutz der Westküste zu suchen aber ich weiss gerade nicht, wie ich das bei Wind und Welle anstellen soll.

Wir haben inzwischen 35 Knoten Wind und die Wellen sind bereits gute 4 Meter hoch und bauen sich immer noch weiter auf. Hier draußen im Kvarner hat der Wind genügend Angriffsfläche um die Welle aufzubauen.

Trotz Kursänderung schießt uns Salty Dog immer öfter in den Wind und wir können das Schiff kaum noch halten bzw. aktiv steuern. Wir haben wohl im Groß (Reff 2 ist bei uns Ende der Fahnenstang) immer noch zuviel Tuch stehen. Und das dreht uns in den Wind.

Was tun? Inzwischen sehen wir konstant 37 Knoten Wind (Windstärke 8 – 9). Wollen wir das Vorsegel nicht verlieren, müsste ich aufs Vorschiff, um das  Großsegel zu bergen.

Bei dem gewaltigen Winddruck und inzwischen 6 Meter hohen Wellen gelingt es uns aber nicht einmal den Niedergang rechtzeitig zu schliessen, da wir die Steckschots nicht aus der Backskiste herausbekommen!

Was soll ich anstellen? Sabine ist vom Sturm ganz paralysiert und leider seekrank also schiebe ich die Großsegelbergung weiter hinaus und lasse die Fock killen bzw. versuche den Rest vom Fock straff durchzusetzen.

Beim nächsten unfreiwilligen Aufschiesser (der Sonnenschutz des Vorsegels hängt inzwischen in Streifen vom Vorstag runter) wenden wir durch. Das ist Chaos pur. Jetzt haben wir einen Gegenkurs zurück zur Insel UNIJE.

Nebenbei bemerke ich, dass der Baum verdächtig niedrig hängt. Eigentlich müsste doch der Druck im Segel ihn anheben? Stattdessen schleift er auf der neuen Persenning rum. Ist etwa die Gasfeder des Baumniederholers hinüber? Ein Versuch ihn anzudirken klappt leider nicht.

Zum Glück (ich weiß leider nicht mehr wie und wann) gelingt es uns, das Großsegel zu bergen. Ich mache den Motor an und wir laufen jetzt vorm Sturm ab mit der Welle von Backboard achtern. Das gefetzte Vorsegel, ich weiß mir nicht anders zu helfen als die Reffleine über die Großschot.Winsch zu legen, kriege ich so auch noch verkleinert. Und plötzlich merke ich, dass das Ablaufen vor dem Sturm eigentlich ganz gut funktionieren könnte und ich wieder die „Oberhand“ an Bord habe. Nur unser Kurs ist jetzt Südost Richtung der süditalienischen Stiefelspitze. So bringe ich uns nie nach Hause.

Wir beraten noch, ob wir so versuchen sollen UNIJE zu erreichen, entschließen uns aber für eine Halse (in dem Fall nur dem Schiften des Vorsegels) und steuern nun mit der Wellen von Steuerbord achtern wieder die Westküste Istriens an.

Unterwegs kreuzt eine andere Segelyacht unseren Kurs und versucht wohl auch vor der Welle abzulaufen. Ich sehe eine Gestalt am Mast und wie sie ihr Groß bergen. Mein Gott, bei der See und den Wellen. Später sehen wir sie noch einmal hinter uns auf Gegenkurs. Kehren sie um? Tun wir das Richtige? Wir sind unterwegs und es läuft.

Es folgt nun eine lange Wache und ein grandioses Schauspiel von Wellenbergen und Wellentälern. Ablaufen vor Wind und Welle –  hochkonzentriertes Steuern – und ständige Obacht, um den achtern anrollenden Wellen stets das Heck des Schiffes zuzudrehen. Ein Wechselbad der Gefühle. Naturschauspiel in der Nussschale. Ich möchte der Bora zurufen. In den Wind brüllen doch endlich nachzugeben und nicht immer noch höhere Wellen zu schicken.

Nach 7 Stunden haben wir endlich die Landabdeckung von Istrien erreicht, die Wellen werden schnell kleiner und ich übergebe erschöpft an Sabine. Ihr geht es etwas besser. Wir haben beide seit 10 Stunden nichts gegessen und getrunken und waren auch nicht unter Deck.

Als ich den Niedergang das erste Mal öffne und einen Blick ins Innere von Salty Dog werfen kann, bin ich schockiert. Es steht Wasser im Schiff und die Bodenbretter schwimmen obenauf. Als Erstes prüfe ich, ob das Wasser salzig schmeckt. Es ist süss, also kein Leck. Etwas beruhigt kontrolliere ich alle Wasserhähne. Ein frei schwingender Müllsack in der vorderen Steuerbord-Toilette hat im Sturm wohl den Wasserhahn der Dusche geöffnet und so sind einer der beiden Wassertanks (ca. 200 Liter ) in die Bilge gepumpt worden. Verführt von dem bisher moderaten Wetter habe ich die Sicherung für die Wasserpumpe angelassen. Zum Glück ist die Pumpe nicht durchgebrannt. Ist mir ein Rätsel…

Am Ende kommen wir völlig abgekämpft und fertig in Pula an. Die Anfahrt es ist schon dunkel und mein Plotter hängt schon wieder. Aber wir haben ja noch das iPad. Wir legen sicher an und suchen uns noch vor der heißen Dusche eine Pizzeria.

Mann, sind wir froh nach so einem Erlebnis sicher im Hafen zu sein! Und trotz Bora, Kampf und kaputtem Vorsegel sind wir wirklich stolz, dass wir es an diesem Tag und bei diesem Wetter zusammen durch den Kvarner geschafft haben! Was für ein Erlebnis.

Und ich muss an mein Sturmsegelbuch denken. Die Autoren dort sind der Meinung, dass Boote in der Regel viel mehr wegstecken können als die Besatzungen.

Und natürlich schmunzle ich oft über die allseits gültige Beaufort-Skala von Mille Mari – Thomas Käsbohrer:

Drei Beaufort: Ist purer Spaß.
Vier Beaufort: Ist Freude.
Fünf Beaufort: Ist Freude. Mit Bangen gemischt.
Sechs Beaufort: Ist Bangen. Mit Freude gemischt.
Sieben Beaufort: Ist Bangen.
Acht Beaufort: Ist Angst.
Neun Beaufort: „Where is my Mommy?“